Donnerstag, Oktober 27, 2005

Ich glaube an die ... Kirche

Ich habe mich beim Lesen der Lektüre für meine zweite Ekklesiologiearbeit gefragt, warum ich innerlich nicht sachlich mit Gemeindemodellen umgehen kann, die von sich behaupten, die alleinige Antwort auf die spirituellen Bedürfnisse der Menschheit zu sein. Ich denke, die Lösung liegt in meiner Kichen-Geschichte. Ich bin sehr dankbar für die Kommentare, in denen mir Leute ihre Geschichte erzählen und, wenn es jemanden interessiert: Hier ist meine:

Als Kind einer protestantischen Mutter und eines katholischen Vaters in einem kleinen bayrischen Dorf, war die Frage nach der „wahren Kirche“ zu meinem Lebensthema geworden.
Die Vertreter beider Konfessionen versuchten, mich jeweils auf ihre Seite zu ziehen. So besuchte ich die von Jesuiten gestaltete katholische Kinderstunde, ging sonntags hin und wieder mit meiner Großmutter zur Messe und zeitgleich war ich emsige Teilnehmerin des evangelischen Kindergottesdienstes. Nach meiner Konfirmation schlug ich mich ins protestantische Lager und fand dort auch zu einem persönlichen Ausdruck meiner Jesusbeziehung (evangelkale Geschwister nennen das "Bekehrung").
Allerdings musste ich schnell feststellen, dass innerhalb dieser Kirche fast genau so viele Streitigkeiten herrschten, wie zwischen den Konfessionen meines Elternhauses. Hier gab es evangelikale, liberale und charismatische Nachfolger Jesu, die sich gegenseitig heftigst ihren Glauben absprachen. Davon war ich zwar zunächst frustriert, entschied ich mich dann aber bald, bei dem Spiel einfach nicht mitzuspielen. Ich wurde Mitglied in einem evangelikalen CVJM, besuchte charismatische Gottesdienste und leistete meine freiwilliges soziales Jahr im liberalen evangelischen Jugendwerk. Allerdings kostete mich meine Politik eine Menge Energie. Nach meinem Umzug nach Nürnberg war mir bewusst, dass ich es leid war, alle meine Kraft in innerkirchliche Diskussionen zu stecken. Viele Menschen, mit denen ich am Beginn meines Studiums Freundschaften schloss, waren (bewusst) keine Christen und ich bemerkte, wie unglaubwürdig sich die Kirchen sich mit diesem internen Hickhack machten. Durch den Kontakt zur Jesus Freaks Bewegung stand plötzlich die Möglichkeit im Raum, eine eigene Gemeinde zu gründen. Ich hatte das Gefühl, dadurch die Möglichkeit zu haben, mich um das zu kümmern, was Jesus am wichtigsten war, nämlich Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Ohne die Auflagen irgendwelcher Konfessionen konnte man das auch erst mal wunderbar tun. So entdeckte ich mit unserer neuentstehenden Jeus Freaks Gemeinde die Freiwilligen-Taufe, feierte Abendmahl, wie es für uns richtig schien, und versuchte die Priesterschaft aller Gläubigen aktiv zu leben.
Nach zehn Jahren, in denen ich mich durch die Jesus Freaks in Nürnberg hauptsächlich in der freikirchlichen Szene aufgehalten habe, zogen mein Mann und ich nach Lippe. Hier haben wir uns der evangelisch-reformierten Kirche angeschlossen.
Neulich im Gottesdienst fiel mir auf, dass ich jetzt bereits zum dritten Mal ein anderes Glaubensbekenntnis spreche. Ich habe mich zur „heiligen katholischen Kirche“, zur „christlichen Kirche“ und jetzt zur „allgemeinen christlichen Kirche“ bekannt. Aber meine Jesusbeziehung ist dadurch auch zu etwas geworden, was ich in allen Konfessionen und auf die unterschiedlichten Arten und Weisen leben kann.
Jeder Teil meiner eigenen „Kirchengeschichte“ ist mir wichtig und wertvoll. Die katholische Kirche hat mich Weite und Toleranz gelehrt, weil sie wie keine andere es schafft, so viel unterschiedliche Kulturen und Glaubensprägungen zu vereinen. Die protestantische Kirche hat mich gelehrt, dass es gut ist eine eigen Meinung zu haben und diese auch ohne Scheu zu vertreten. Die Freikirchen haben mich gelehrt, dass jeder gebraucht wird, um Gemeinde lebendig zu machen und zu gestalten. Ich liebe kirchliche Liturgien und ihre steife Festlichkeit genauso wie Punkmusik und ausgelassenes Tanzen bei der Anbetung. Ich lebe jetzt in kommunitären Strukturen, beschäftige mich mit Ordensregeln und klösterlichem Leben und besuche gleichzeitig den völlig schnörkellosen Gottesdienst einer evangelisch-reformierten Gemeinde, für die es weder einen Altar noch eine Präsenz Christi im Abendmahl gibt.
Neulich in der Predigt klärte uns unser Pastor über den Unterschied eines „guten Katholiken“ zu einem „guten Protestanten“ auf. Seiner Meinung nach hat der gute Protestant mindestens einmal in seinem Leben seine Kirche reformiert und der gute Katholik hat einmal in seinem Leben einen Orden gegründet. Jemand wie ich muss wohl dann einfach beides einmal gemacht haben.

Wenn ich mit meiner Geschichte eine Ekklesiologie-Arbeit schreibe, dann kann ich nicht zu einer „wahren Gestalt“ von Kirche kommen. Für mich hat jede ihren Reichtum und ihre Berechtigung. Dennoch sehe ich den Auftrag der Gemeinde darin, die ewige Botschaft der Hoffnung auf immer wieder neue Art in einer sich wandelnden Welt zu verkünden. Wichtig dabei ist es, zu wissen, dass man mit der neuen Form keine neue „Wahrheit“ gefunden hat.

12 Comments:

Blogger Petra said...

Was ich aus Deinen Fazit herauslese: die Suche nach der wahren Kirche hast Du wohl aufgegeben....

Hast Du Dich auf Deinem Weg eigentlich gefragt:
Woher wir von Jesus wissen.
Woher wir die Bibel haben.
Woher wir die Wahrheiten wissen, die nicht in der Bibel stehen (z. B. Dreifaltigkeit, ganz Gott und ganz Mensch).
Was die Versprechen Jesu in Mt 16 und Joh 21 bedeuten.
Ob denn Jesus sich von uns vertschüsst hat mit der Message, wir sollten alle selber unseren Weg zu Ihm finden - oder Er uns irgendeine feste Orientierung und Führung hinterlassen hat.
Und, und, und...

Wir hatten vor einigen Monaten (ca. im Mai/Juni) - insbesondere bei Martin und bei mir - zahlreiche lange und ermüdende ekklesiologische Debatten mit Matthias geführt. Vielleicht kannst Du da mal reinschauen....

1:11 PM  
Blogger Petra said...

Weil Du keine Trackback-Funktion hast, mach ich's so:

Trackback:
Lumen de Lumine: Vertreibung aus der wahren Kirche

Daggi erzählt von ihrer Suche nach der "wahren Kirche" (vom katholisch-protestantischen Gegensatz im Elternhaus über die Jesus Freaks bis zu den Reformierten) - und landet....

2:20 PM  
Blogger Trinity said...

@Petra: Ich weiß, dass wir da wohl dogmatisch nicht zusammenkommen werden, aber ich versuch's mal zu umschreiben: Ich habe die Suche nach der "wahren und universellen Organisationsform" von Kirche aufgegeben (im Gegensatz zu Herrn Klaus Berger - toller Mann). D.h. ich trenne zwischen den organisatorisch getrennten kirchlichen Einheiten, die alle in ihrer Form ihre Berechtigung haben, aber immer nur ein Teil des Leibes Christi sind, und dem universalen Leib der Gemeinde Jesu Christi, der seinen Weg durch die Jahrtausende des Christentums in vielen Formen und Ausprägungen gegangen ist. Ich weiß woher meine grundsätzlichen Dogmen kommen, ich weiß dass jeder Christ sozusagen katholische Wurzeln hat und dafür bin ich dankbar. Für mich schreibt Gott seine Kirchengeschichte eben über unsere konfessionellen Trennungen hinweg und so habe ich das erlebt. Mein Heil habe ich auch nicht in Halleluja-Freikirchen gefunden, sondern in Jesus Christu ;o).Ich glaube Jesus hat uns als feste Führung das Versprechen gegeben, dass er in seinem Heiligen Geist immer bei uns sein wird und der ist für mich eben vielfältig, so wie Pfingsten vielsprachig war.
Ich weiß aber auch, dass meine katholischen Geschwister in sich die Sehnsucht tragen, dass der Organsimus und die Organisation eins sind und das macht sie eben aus und auch dafür bewundere und schätze ich diese Kirche. Ich habe viele katholische Freunde, die nie auf den Gedanken kommen würden, ihren eigenen Club auf zu machen, sondern sie setzen sich vorbildlich mit ihrer Tradition auseinander und finden Wege in ihrer Kirche ihre Glaubensformen zu leben (da können sich viele Protestanten eine dicke Scheibe abschneiden!).
Aber theologisch bin ich halt einfach zu sehr Protestantin, um zu konvertieren... ;o) (gell "Nobby":http//www.santacrux.blogspot.com)

4:57 PM  
Blogger mesii said...

:-) !!!!!!!!!!!!!!

7:58 PM  
Anonymous Anonym said...

ein kleines zitat, dass ich bei seminaren zu ekklesiologischen themen immer verwende: "die neutestamentliche gemeindeordnung gibt es nicht." (Gemeinde und Gemeindeordnung im Neuen Testament, Zürich 1959)
amen!

3:41 PM  
Blogger Petra said...

Ach ja... Und das Gebet Jesu an den Vater, "dass sie eins seien", bedeutet wohl, dass wir uns bitte nicht gegenseitig den Schädel einschlagen sollen.... :-(

Na ja, da kann man wohl nur auf die Fürsprache des Hl. Frère Roger vertrauen....

6:11 PM  
Blogger Trinity said...

ja da können wir auf jeden Fall drauf vertrauen! der weiß hoffentlich jetzt ja auch schon ein bißchen mehr als wir. mir würde das "nicht den schädel einhaun" ehrlich gesagt im augenblick oft schon reichen ;o) (ich bin wohl eher ein harmonischer typ musst du wissen)

10:01 PM  
Blogger Norbert said...

Yeaaaah!
Endlich mal ein Thema, zu dem ich auch was sagen kann... lach
Danke für den Hinweis Daggi... Mein Protestatentum schwindet von Tag zu Tag. Schlimm. Ich wär schon froh, wenn ich ein anständer Lutheraner sein könnte :o)
Also, ma Spass beiseite. Ernstes ernstes ernstes Thema. Ich erlebe in meiner Arbeit genau das, was Daggi in ihrer Biographie sehr bewegend beschreibt. Wir hamm ja alle unsere Geschichte hinter uns. Und ich frag mich, wenn mich meine Eltern damals nicht in die Lutherische Kirche zur Taufe getragen hätten, sondern ins Nachbardorf zum katholischen Kollegen - wär ich dann heut ein kritischer Katholik, der sich zu den Jesusfreaks zählt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass die Kirchen sich der Sünde nicht wirklich bewusst sein wollen, in der sie leben. Es ist definitiv Sünde, was wie leben und ich finde die freikircheliche Mentalität bedenklich, einfach einen neuen Club aufzumachen, wenn man meint, erkannt haben zu wollen, dass Gott verlangt, Röcke zu tragen. Das find ich richtig schlimm! Storch...es gibt im NT keine Regelung, wie die Gemeinde auszusehen hat - da stimm ich dir zu. Käsemann geht ja soweit, dass er sagt, die Vielgestaltigkeit der Bibel rechtfertigt auch die Vielgestaltigkeit der Kirchen...
Da muss ich ihm heftigst widersprechen. Dass im NT keine Kircheordnung vorhanden ist, ist eine Sache. Dass das NT die Spaltung produziert eine Häresie! Ich denke die Schlüssel, das NT zu lesen sind unterschiedlich und jeder meint plötzlich einen neuen gefunden zu haben und dadurch sei eine neue Kirchengründung gerechtfertigt. Nö!
Daggi, dass du die verschiedenen Konfessionen als Ausdruck der wahren Kirche Jesu Christi verstehst ist gut evangelische Meinung. Und irgdnewie glaub ich des ja auch. Aber ich bin icht zufrieden damit. Gar nicht. Es kann nur eine wahr Kirche - eine EINZIGE geben! Ob das Rom ist, das Luthertum, die Orthodoxie oder wer auch immer, das weiß ich nicht! Doch sollte uns Gottes Güte dazu bewegen, es herauszufinden. Doch sind wir scheinbar gütegelähmt. Vielleicht wird er ja noch zornig - mal sehn :o)
Ich hoff ja, dass die Freax des Rennen machen... schaumermal...
so, muss jetzt wieder was arbeiten.

3:27 PM  
Anonymous Anonym said...

Bernhard, Du schreibst: "Es kann nur eine wahre Kirche - eine EINZIGE geben!", Du weißt aber leider nicht welche.
Das kann ich Dir nicht ganz abnehmen, wenn es nur eine einzige (auch als "weltliche" Organisation) geben kann, dann ist es sonnenklar welche...
Entweder Viele oder Rom! Und dann ist es auch folgerichtig, dass es ohne Papst nicht geht...

9:58 PM  
Anonymous Anonym said...

@Berhard
Es kann nur eine wahr Kirche - eine EINZIGE geben!

Da bist du einer Meinung mit Papst Benedikt. Zur Frage, wie diese Einheit aussehen könnte, hat er mal folgendes gesagt:

"Aber diese Einheit bedeutet dann doch nicht, sozusagen was man Rückkehr-Ökumenismus nennt, die eigene Glaubensgeschichte leugnen und ablegen müssen. Keineswegs. Sie bedeutet nicht Uniformität in allen Ausdrucksformen der Theologie und der Spiritualität, in den liturgischen Formen und in der Disziplin. Einheit in der Vielfalt und Vielfalt in der Einheit." - Quelle

2:52 PM  
Anonymous Anonym said...

Hallo, Daggi,

ich bin jetzt erst auf deine hier Geschichte gestoßen, etwas verspätet, möchte aber doch etwas dazu sagen. Es ist ungemein interessant, was du schilderst. Ich bin unter Baptisten aufgewachsen und habe mich erst spät im Leben katholisch taufen lassen. Ich muss gestehen - und ich habe auch kein Problem damit - dass ich ein gewisses freikirchliches Denken nie ganz abgelegt habe (obwohl ich einen äußerst bitteren Kampf mit dem Fundamentalismus geführt habe, den ein Teil meiner Familie nachhängt, aber nicht alle Baptisten sind ja so verbohrt)- so gehe ich gern und auch häufig am Sonntag zu den Baptisten, die bei uns grad um die Ecke ihre Gemeinde haben, in den Gottesdiest und auch sonst überhaupt gern dorthin, weil mir einfach das direkte Durchstarten zu Jesus gefällt. Manchmal benötige ich diesen direkten Zugang ... so völlig ohne Kirche, liturgisches Denken und Fühlen und das ganze Drumherum bei uns Katholiken. Das praktische und wirkliche Priestertum aller Gläubigen hat einen tiefen Sinn.

Irgendwie gehört das zu meinem Katholischsein dazu - dass ich diese freikirchliche Ader habe. Und das würde ich mir auch nie ausreden lassen. Die wahre Kirche ist doch die, die wir im Herzen tragen. Und das Evangelium ist nicht deckungsgleich mit der Kirche (hat Lehmann jedenfalls gesagt und brav wie ich bin, glaube ich diesem meinem Hirten), sondern das Evangelium ist mehr als Kirche je in der Welt sein kann.
Die Frage nach der Wahren Kirche stellt sich mir nicht, sondern eher die Frage nach der Wahrheit.

So sehr ich auch bestimmte Tendenzen im freikirchlichen Lager verurteile und somit mit der Hälfte meiner Familie im Dauerchlinch gelegen habe und immer noch liege, so werde ich doch niemals die tiefe Selbstverständlichkeit vergessen, mit der abends (oder auch manchmal zu anderen Zeiten) der Griff zur häuslichen Bibel erfolgte. "Setzt euch, wir wollen in der Bibel lesen."

Und natürlich bin ich damals dadurch gläubig geworden und diese Gläubigkeit hat mich letztlich in die katholische Kirche geführt, ganz klar. Aber die Basis ist eben damals gelegt worden und somit ist für mich immer wie eine kleine Heimkehr, wenn ich bei den Baptisten bin.

Geronimo

10:29 AM  
Anonymous Anonym said...

An old man in passing by stopped to read of your dillema. He has no answers after three score years and more of reading, travel and pondering these same questions.

While in the bayrischen Wald spatzieren, und die Sonnenspitze aufgesteigen, habe ich gedacht: wer braucht die Kierche? Ist Natur nicht genug?

Die Bergen, Wald, blumchen, und Flusse sind alle dort und die sind schoener als die Kirche in meinem Sinn.

Leider habe Ich ihre Sprache verloren. OldMack http://oldmackstales.com/

6:11 AM  

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