Mittwoch, März 29, 2006

Märtyrer

Gestern Abend lief im ZDF eine Dokumentation über die letzte Lebensphase von Hermann Göring. Da saß dieser Mann bei den Nürnberger Prozessen in einem Gerichtssaal, in dem alle überzeugt waren von seiner Schuld an Auschwitz und seiner Mitwirkung am Holokaust und hatte ein überhebliches Lächeln in seinem Gesicht. Seine Ankläger redeten auf ihn ein, nahmen ihn ins Kreuzverhör, brachten übermächtige Beweise gegen ihn vor, doch er blieb kühl und sachlich und ließ alles an sich abprallen. Für ihn war das Siegerjustiz. Nichts, was er ernstnahm. Er blieb überzeugt von der Richtigkeit seines Tuns und zeigte mit keinem einzigen Wort Reue. Im Gegenteil. Nach einem Film über Auschwitz tat er die Bilder, die jeden anderen im Gerichtssaal den Atem stocken ließen, als Siegerpropaganda ab.
Görings Denksystem war schlüssig und ohne Lücken. Es war nicht zu brechen, so sehr sich die Ankläger auch mühten. Göring ließ bei sich kein Zweifeln zu und wich nicht zurück von dem, was er als richtig erkannt hatte. Er war bereit, dafür zu sterben, wenn auch nicht durch den Strick. Das wollte er den Siegern nicht gönnen. Göring war ein Märtyrer für das, an was er glaubte.
Es ist erschreckend so etwas zu sehen, weil es unverständlich bleibt. Und doch zeigt es, welch eine große Kraft in der Bereitschaft liegt, für das, was man als wahr erkannt hat zu sterben. Beinahe täglich erleben wir auch heute die Folgen, wenn Menschen sich für ihre Überzeugung in die Luft jagen oder sinnlos Krieg führen.
Aber ist nicht auch die Kirche aus dem Blut des Martyriums erstanden?
Ich wurde sehr nachdenklich als mir dieser Gedanke in den Kopf kam.
Ist das Kreuz wirklich ein Ort, an dem jemand starb, weil er recht hatte? Starb Jesus für seine Überzeugungen?

Nein.
Jesus starb nicht, weil er der Welt zeigen wollte, dass er Recht hatte. Jesus starb, weil er die Welt mehr liebte als sein eigenes Leben. Er starb für die, die ihn anklagten und hinrichteten genauso, wie für die Jünger, die ihn in seiner dunkelsten Stunde allein ließen. Er starb für dich und mich, weil wir durch die Sünde getrennt von ihm waren. Er wollte die Welt mit Gott versöhnen und es gab keinen einfacheren Weg als das Leiden des Schuldlosen.
Wenn Christen für ihren Glauben leiden, dann können sie das nicht mit einem überlegenen Lächeln tun, weil sie meinen, wer zuletzt lacht, lacht am Besten. Christliches Martyrium ist Leiden aus Liebe. Liebe zu Gott und Liebe zu denen, die einen verfolgen. Es hat nichts zu tun mit einem trotzigen Ertragen, weil man weiß, dass man auf der richtigen Seite steht.
Die Wurzel christlichen Leidens kann nie Rechthaberei sein, sonst ist es nicht Leiden in der Nachfolge des Gekreuzigten.

Ich glaube es ist der einfachere Weg, für eine Ideologie zu sterben. Die Welt macht uns vor, dass es geht und sie brauchen dafür Jesus nicht. In den Zeiten, in denen wir für das, was wir glauben angefeindet werden, brauchen wir den Gekreuzigten, der uns die Liebe für unsere Feinde gibt und für die Freunde, die uns dann verlassen. Jesu vollkommene Liebe allein hilft uns, unter dem Druck nicht Gefangene des eigenen Rechthabenwollens zu werden, das ein solches Opfer gar nicht wert ist. Und die Liebe beinhaltet auch immer die Möglichkeit zur Einsicht, dass das, was gegen mich vorgebracht wird, berechtigt sein kann und meine Umkehr zur Folge haben muss.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

um mal einen der herren zu zitieren, die neben göhring auf der anklegebank gesessen haben: "zu spät erkenne ich, dass es nur eine verpflichtung gibt: die gegenüber der moral" (albert speer, aus dem gedächtnis, vielleicht nicht 100%ig richtig).
ich stimme ihm zu, die verpflichtung auf eine ideologie oder gar ein system ist immer falsch.

übrigens ein lustiger vertipper: "Er war bereit, dafür zu sterben, wenn auch nicht durch den Strick." immerhin hat er sich aufgehängt um dem (alliierten) strick zu entgehen.

9:48 PM  

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