Ist Wahrheit statisch?
Stoch hat auf meine Aussage im letzten Post, dass Wahrheit statisch ist, einen sehr interessanten Kommentar geschrieben und ich muss dazu kurz noch was erläutern. Ich glaube der Terminus Wahrheit war von mir nicht wirklich gut gewählt, weil man darunter zu viel verstehen kann. Mein großer Rabbi Christian A. Schwarz schreibt dazu in seinem grundlegenden Buch "Paradigmenwechsel in der Kirche" eigentlich so ähnlich wie Storch, dass es letztlich im Wahrheitsfindungsprozess zwei Pole gibt: Den Biblischen Kanon und Wahrheit als Ereignis. Der Biblische Kanon ist dabei die institutionelle, statische Größe. Wenn ich von Wahrheit gesprochen habe, habe ich damit die Gesamtheit der Schrift gemeint. Die ist für mich im Großen und Ganzen statisch (trotz Textkritik und Übersetzungtralala). Dynamisch bleibt, was dieses Wort auslöst, wenn es auf einen Menschen trifft. Da wo das Wort Gottes und damit auch der Sohn Gottes, als dessen fleischgewordene Gestalt, mit dem Menschen in Interaktion tritt, da ist natürlich Dynamik, denn da ist Beziehung und es entsteht dynamische Beziehungskultur. Die Missverständisse liegen wie immer in der Identifikation von Institution und Ereignis. D.h. da wo der Kanon die menschliche Begegnung nicht mehr braucht um zu funktionieren, kann nur dumpfer Fundamentalismus herauskommen und da wo sich die persönliche Offenbarungswahrheit von der Schrift trennt, finden wir puren Ekklektizismus.
Gott hat in seiner Vollkommenheit entschieden - und da denke ich streng pneumatologisch - dass er ohne uns unvollkommen ist. Er braucht uns für sein Erlösungswerk. Wir dürfen mit ihm zusammenarbeit und dabei schöferisch tätig sein. Das ist die Beziehungsdynamik des Glaubens, die unser Christsein so wunderbar macht. Das ist der Schlag ins Gesicht aller Ideologie, der es nur um richtig und falsch geht.
Gott hat in seiner Vollkommenheit entschieden - und da denke ich streng pneumatologisch - dass er ohne uns unvollkommen ist. Er braucht uns für sein Erlösungswerk. Wir dürfen mit ihm zusammenarbeit und dabei schöferisch tätig sein. Das ist die Beziehungsdynamik des Glaubens, die unser Christsein so wunderbar macht. Das ist der Schlag ins Gesicht aller Ideologie, der es nur um richtig und falsch geht.
2 Comments:
Soweit ich weiß, sieht Schwarz Lehre als satischen Pol, dessen Missverständnis dann Dogmatismus ist. Dem gegenüber stellt er Wahrheit als Begegnung, deren Missverständnis dann wieder Relativismus ist. D.h. für den Regelkreis des funktionalen Ansatzes: Wahrheit als Begegnung bringt Lehre hervor, die dann aber wieder Wahrheit als Begegnung fördern muss.
Zu behaupten jemand hat die reine Lehre würde ich unter Dogmatismus verstehen.
Sei's wies's sei: viel Spaß beim Lesen und "keine Veränderung ohne Widerstand"!
Hey ihrs, interessante Gedanken denen ich die meinen gern beifuegen will (danke fuers vertrauen daggi)... Wenn ich eure letzten beiden Post's und die jeweiligen Reaktionen lese hab ich das Gefuehl, dass es bei euren gedanken im prinzip auf das selbe hinaus laeuft: Es gibt eine, DIE Wahrheit aber es ist uns unmoeglich sie vollstaendig zu erfassen. Wir, als Menschen, werden immer nur unsere (also ich MEINE) Sicht auf diese Wahrheit haben und diese Wahrnehmung ist durch all das gefaerbt und gefiltert, was meine Identitaet ausmacht... im gleichen Sinne ist alle menschliche Vorstellung von Wahrheit unvollstaendig. Zu dieser ersten "Filterung" kommt ein zweiter Filter hinzu, der im Austausch ueber diese Vorstellung wirkt ... ich werde euch NIE zu 100% verstaendlich machen koennen, was ich als Wahrheit bezeichne und wie sich das in mir anfuehlt und bei jedem derartigen Versuch werden, aufgrund der Beschraenkungen unserer Kommunikationskanaele (Sprache, Kunst ...) immer Aspekte auf der Strecke bleiben... und letztendlich koennt ihr meine Vorstellung von Wahrheit ebenso wieder nur durch eure Wahrnehmung gefiltert betrachten.
Diese Unmoeglichkeit des Erfassens einer Wahrheit ist fuer mich der Grund, weshalb ich grundsaetzlich ersteinmal versuche den Menschen ihre Wahrheit zu lassen bzw. zu verstehen wie sie Wahrheit auffassen. Mich erschreckt es immer, wenn einige Personen von DER Wahrheit reden und damit in aller Regel doch nur IHRE Auffassung davon meinen. Ich glaube dass es vielen Menschen Schwierigkeiten bereitet sich davon zu loesen, dass es in unserer menschlichen Erkenntnis nicht DIE Wahrheit gibt, sondern stets nur die individuelle Wahrnehmung davon. Aber wahrscheinlich ist es oft leichter, die eigenen Ansichten als unumstoesslich zu erheben als sich einer Unsicherheit auszusetzen die mich bei jeder neuen Begegnung herausfordert meine Wahrheit zu ueberdenken.
Zum Abschluss ein sehr gutes Zitat von Jean-Jacques Rousseau dazu (auch wenn er hier den Begriff der Wahrheit eher als "das was die meisten Menschen als wahr akzeptieren" verwendet).
"Bei einer Geschichte gibt es immer vier Seiten: Deine Seite, ihre Seite, die Wahrheit und das, was wirklich passiert ist."
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