Donnerstag, August 11, 2005

Sola Cultura?!

Pete Greig zitiert in seinem Buch "The Vision And The Vow" Os Guinness' Schlagsatz, ein Großteil der amerikanischen Evangelikalen habe die Autorität des "sola scriptura" durch ein "sola cultura" ersetzt. Solche Sätze lassen mir mein Christsein manchmal wie eine Achterbahnfahrt erscheinen. Es schleudert einen von links nach rechts. Zuerst wird die Wahrheit und Absolutheit der Schrift so lange ideologisiert, bis Christen weltfremde Aliens sind, dann kommt dann die Gegenbewegung und ideologisiert "kulturelle Relevanz" bis man das Gefühl bekommt, es wird zum Gesetz den gesellschaftlichen Trends unter allen Umständen zu gehorchen. Wenn uns die Wahrheit soweit abhanden gekommen ist, dass wir sie in unserer ganzen Relevanz gar nicht mehr finden, dann geht das Ganze wieder anders herum. Mich ermüdet dieses Spiel. Ist es denn so schwierig, die beiden Pole einander zuzuordnen, anstatt ständig auf der einen oder anderen Seite ins Extrem zu fallen?
Kultur kann keine Wahrheit sein. Wahrheit ist statisch, Kultur dynamisch. Kultur will gestaltet werden. Sie ist ein Medium und sie braucht einen Inhalt. Wenn Kultur nicht mehr ihrem Inhalt dient, wenn sie nur noch um ihrer selbst oder unserer bigotten Relevanz willen ausgelebt wird, dann wird sie zur Ideologie. Die Gestaltung und das Erschaffen von Kultur ist ein Werkzeug, das Gott uns in die Hand gegeben hat. Kultur kann von uns nur mit der Bibel in der Hand gestaltet werden. Das Evangelium und seine Werte sind das, was wir transpotieren wollen. Insofern gestaltet und begrenzt die Wahrheit die Kultur und nicht die Kultur die Wahrheit. Kultur, die in diesem Punkt ihrem Auftrag nicht mehr gerecht wird, ist sinnlos. Kultur, die nicht mehr dafür sorgt, dass in ihrem Rahmen Glaube, Gemeinschaft und Dienst gefördert werden, die nicht mehr behilflich ist, dass Menschen in ihrem Leben zu Christus hin wachsen, hat ihr Ziel verfehlt und muss korrigiert werden.
Manchmal hab ich das Gefühl, wir sind faul. Lieber ideologisieren wir die eine oder andere Seite, als die Spannung, die durch die Zuordnung von Schrift und Kultur entsteht, auszuhalten. Dabei macht gerade diese Spannung eine Gemeinde lebendig. Wir müssen diskutieren, was es heißt, das Evangelium heute zu kommunizieren. Wo muss man Dinge kulturell anpassen, weil wir in der Welt sind und von ihr verstanden werden müssen, und wo müssen wir als Christen eine Gegenkultur bilden, weil wir nicht von der Welt sind und sie uns nicht verstehen kann. Es gibt keine Schlagsätze, die uns dieses Ringen abnehmen. Es bleibt ein schmaler Weg und im Augenblick fahren wir - meiner Ansicht nach - zumeist endweder links oder rechts gegen die Leitplanke...

2 Comments:

Blogger Jocky said...

Schließe mich Storch an. Sehr interessante Gedankengänge. wobei ich letzendlich nicht sagen kann, was ich dazu sagen würde. Hab mir noch keine Gedanken dazu gemacht. Ich könnte also sagen: Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen.

Nur ein paar Impulse:
- Ich gehe davon aus, dass die Wahrheit nicht an sich nur Wahrheit ist, sondern eine Person, nämlich Jesus Christus. Bin mir nicht sicher, was daraus resultiert im Sinne von "statisch" oder nicht...

- das andere: Wenn ich nun aus unserem Kulturkreis herausgehe und z.B. nach Asien gehe, also in eine völlig andere Kultur. Wie sieht das dann mit Kultur und Wahrheit aus. Was von dem, was ich für wahr halte ist in Wirklichkeit meine Kultur, was davon tatsächlich Jesus- oder Reichgotteskultur. Inwieweit kann ich die Bibel als Nonplusultra-richtschnur hernehmen, wenn diese ja auch kultuerell geprägt ist. Und selbst wir da ja auch mit einem kultuerellen Verständnis rangehen (siehe Frauen in der Gemeinde, Frisuren und Kleidungsstil).

Das sind Fragen, die mich momentan beschäftigen, wo ich noch keine Antwort habe. zumindest aber sensibiliert bin.

11:52 PM  
Blogger Norbert said...

ja donnerwetter...
sehr schön!!! kurz meinen Senf dazu - wenn das gestattet ist... :o) mir gefallen die Gedanken hier sehr gut und vor allem der Ansatz Kultur gegen Wahrheit auszuspielen. Das kann man vergeistlicht als Gegensatz zwischen Fleisch und Geist, Welt und Himmel verstanden wissen. Dochg hat doch die Theologiegeschichte gezeigt, dass Dualismen nicht weiterhelfen. Christus hat so nie gepsrochen. Ich gehe einfach so weit, dass es einen gewaltigen Unterschied ausmacht, wie Dinge formuliert werden. Beispiel: Wir Christen gehen doch davon aus, dass Wahrheit das ist, was wir haben. Zunächst im Vergleich mit außenstehenden und anderen. Aber auch zur Selbstvergewisserung. Doch liegt doch auf der Hand, dass es problematisch ist, davon zu sprechen, dass ich die Wahrheit habe. Im Sinne von: darüber verfügen, benennen und somit exklusiveren. Das ist für mich eine fatale sprachliche Mißgeburt. Wir haben die Wahrheit nicht. Denn das hieße, wir verügten über Jesus. Vielmehr will ich laut sagen, dass ich DEN bekennen, den bezeuge, auf den hinweise, der von sich sagt, er sei die Wahrheit. Ich hab doch nicht die Beweislast dazulegen, dass alle anderen Lügner sind. Die Beweilast haben DIE, es mit nachzuweisen. Und da ich weiß, dass nur ER die Wahrheit ist, werde ich auf ihn hinweisen. Darin ist nicht ausgesagt, ich habe die Wahrheit! Und in diesem Sinne gehe ich mit der Kultur im. Denn es ist eine Spannung - weil mich die Welt und meine Wahrheit immer in Frage stellt. Aber aus der Perspektive der Hinweisens erkenne ich mich als Subjekt der Kultur (und das sind wir !!!) aber als Objekt der Liebe Gottes. Dass mir geschieht, ermöglicht mir, das ICH bin. Das MIR ist die Geburt der ICH. Nur dass ich erlebe wie Gott handelt, weiß ICH wer Gott ist. Das hilft diese Spannung auszuhalten, sich ihr zu integrieren und darin Jesus nachzufolgen. Und genau weil das so ist, kann ich nicht zustimmen, dass Wahrheit statisch ist. Denn Wahrheit ist eine Person! Und wenn Christus statisch wäre, wäre das auch seine Liebe. Nein, Wahrheit ist dynamisch (dynamis!!!) und somit hat sie Kraft. Und dabei soll dynamisch niemals mit beliebig verwechselt werden. Denn Wahrheit ist treu, Kultur ist eine Hure!

3:24 PM  

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