Freitag, April 22, 2005

Na Prost-Mahlzeit (Ansichten einer Exilbayerin)

Woran merkt man, dass man von Bayern nach Nordrhein-Westfalen gezogen ist? Nein, nicht nur an der Wahlbenachrichtigung, die einen schon wieder in die Krise des "Wen-soll-ich-wählen" stürzt. Vor allem merkt man das im öffentlichen Schwimmbecken. Ist man von Bayern her gewohnt, dass alle Menschen schön geordnet ihre Bahnen ziehen, dann schlägt einem hier die totale Anarchie entgegen. Während in Bayern jeder Schulklasse maximal eine Bahn zusteht, in der der bayerische Schüler gelernt hat, gänsemarschartig hinter seinem Vordermann herzuschwimmen und schön draußen am Beckenrand zurückzulaufen, belegt hier eine Schulklasse mal eben den ganzen Schwimmbereich und schreckt nicht einmal davor zurück, die Sprungbretter zu benutzen. Rückenschwimmomas gibt es natürlich hier wie dort, allerdings haben sie hier die unglaubliche Freiheit, die extra für Schwimmer abgeteilten Bahnen zu belegen. Vor allem dann, wenn sich besagte Schulklassen den Rest des Beckens in Beschlag genommen haben. Ach ja, all das hätte es in Bayern nicht gegeben... Naja, aber es gibt ja jetzt zumindest für Rom Hoffnung...

Mittwoch, April 20, 2005

Der Paradigmenwechsel meiner Katze

Habe heute nachmittag, während ich am Schreibtisch saß, meiner Katze zugesehen, während sie den Balkon erkundet hat. Wir sind ja erst vor vier Monaten hierher gezogen. Vorher hat sie mit uns eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Nürnberg bewohnt und war nie draußen. Es ist sehr spannend ihr zuzusehen. Ihr Weltbild war bisher wohl, dass es über ihrem Kopf immer eine Zimmerdecke geben muss. Sie kannte ja nichts anderes und das seit immerhin 12 Jahren. Jetzt ist sie mit der Tatsache konfrontiert, dass es in der Welt Räume gibt, die keine Zimmerdecke haben. Ich muss sagen, dass sie darauf etwas verwirrt reagierte. Die erste Zeit ist sie ständig unter irgendwelche Sachen druntergelaufen z.B. Autos oder Stühle, um etwas über dem Kopf zu haben. Wenn sie Strecken zwischen ihren Verstecken zurückgelegt hat, dann hat sie sich ganz flach auf den Boden gedrückt. Das sah unglaublich komisch aus. Mittlerweile läuft sie schon sehr freimütig durch die Gegend. Das einzige was sie jetzt noch wirklich schockt, ist die Existenz von Vögeln, die ein paar Etagen über ihr herumfliegen.
Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass es Übergänge gibt, wenn sich Paradigmenwechsel vollziehen. Das wichtige ist, sich einzugestehen, dass es eben nur eine Zwischenlösung ist und sich da nicht einzurichten. Leider bin ich jemand, der bei soetwas wenig Geduld hat.
Neulich hab ich gedacht, das muss mit der Katze doch auch schneller gehn. Ich hab sie gepackt, in den Garten geschleift und mitten auf die Wiese gesetzt. Sie ist laut schreiend und völlig verstört hinter die Mülltonnen gelaufen. Es hat sehr viel gutes Zureden gebraucht, um sie da hinten vorzulocken und sie wieder ins Haus zu bugsieren.
Ich glaube, ich muss lernen, dass Prozesse Zeit brauchen, um wirklich beständige Veränderung zu bringen. Menschen in Prozessen des Paradigmenwechsels zu überfordern, kann sicher auf sie genau so verstörend wirken, wie eine grüne Wiese unter freiem Himmel für eine Katze, die eine Zimmerdecke gewohnt ist.

Montag, April 18, 2005

Laut Nachdenken über Gemeinde

Kester Brewin schreibt in seinem Buch "The Complex Christ" sinngemäß, dass eine Kirche, die ihre Glaubwürdigkeit und ihren Einfluss in der Welt verloren hat, ganz von Vorne beginnen muss, um ihren Auftrag neu wahrnehmen zu können. Dazu muss sie all ihre Privilegien und Macht abgeben und klein und unbemerkt in völliger Abhängikeit von ihrer "Gastgeberkultur" von die Sprache der Welt und ihre Umgebung lieben lernen. Als ich über diese Zeilen gestolpert bin, fiel mir eine erstaumliche Parallele zu Bonhoeffers Kirchentheorien im Anblick der Kooperation der Kirche mit den Machthabern des Nationalsozialismus und ihrem Versagen gegenüber den Juden auf. Bonhoeffer schreibt:

"„Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. Um einen Anfang zu machen, muss sie alles Eigentum den Notleidenden schenken. Die Pfarrer müssen ausschließlich von den freiwilligen Gaben der Gemeinden leben, evtl. einen weltlichen Beruf ausüben. Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend. Sie muss den Menschen aller Berufe sagen, was ein Leben mit Christus ist, was es heißt „für andere dazusein“. Speziell wird unsere Kirche den Lastern der Hybris, der Anbetung der Kraft und des Neides und des Illusionismus als den Wurzeln allen Übels entgegentreten müssen. Sie wird die Bedeutung des menschlichen „Vorbildes“ (...) nicht unterschätzen dürfen; nicht durch Begriffe sondern durch „Vorbild“ bekommt das Wort Nachdruck und Kraft.“"

Es stimmt mich nachdenklich, dass seit über 60 Jahren Menschen die gleiche Botschaft für die Gemeinde haben und sie doch nur schwer gehört wird. Dabei kann die Situation des Leibes Christi in unserem Teil der Welt doch kaum noch bedrohlicher werden. Was hält uns ab, unser Versagen einzugestehen, das Alte hinter uns zu lassen und neu zu beginnen? Warum klammern wir uns an Privilegien, die nur noch in unseren Ghettos etwas zählen und von unserer Umwelt belächelt werden? Wer hat uns stolz gemacht und auf was?

Sonntag, April 17, 2005


Unser Hof Posted by Hello

Wieder zu Hause

Nach vier wirklich sehr vollen Tagen in Stuttgart, bin ich wieder zu Hause angekommen. Habe viele Leute gesehen, viele Gespräche geführt und sitze mit einem Kopf voller Ideen und Eindrücke jetzt vor meinem Computer. Das eine oder andere muss ich jetzt erst mal in Ruhe überdenken. Ein paar Ergebnisse gibt es dann hoffentlich bald hier zu lesen.

Habe heute angefangen ein Buch über Bruder Lorenz zu lesen. Mich beschäftigt es sehr, wie ich als einzelner oder auch wir alle in unserer zukünftigen Gemeinschaft 24Stunden in dem Bewusstsein leben können, mit unserem Leben Gottesdienst zu feiern. Bisher habe ich nur in den Klöstern und ihren Formen Möglichkeiten dafür gefunden. Die Gebetszeiten der Gemeinschaft sind nicht die"heiligen Zeiten", sondern nur die Zeiten in denen sich jeder einzelne bewusst macht, dass er überall, wo er gerade arbeitet, seine Anbetung lebt. Bruder Lorenz scheint zu so einem Leben "durchgedrungen" zu sein.
Dadurch dass wir in unserem Leben den Gottesdienst und unsere persönliche Zeit mit Gott zu "heiligen Zeiten" erklärt haben, ist es uns abhanden gekommen, unseren Alltag bewusst mit Gott und in seiner Gegenwart zu leben. Wir setzen hinter "Gebet" einen Haken und machen uns nicht mehr bewusst, dass es eine Herzenshaltung ist. Wir machen hinter "Gottesdienst" am Sonntag (oder wann auch immer) nach dem Besuch der Veranstaltung einen Haken und vergessen, dass Gott unser ganzes Leben zu seinem Gottesdienst machen will.
Vor ein paar Wochen habe ich in einem Seminar mit den Teilnehmern darüber geredet, dass Gebet so viel mehr ist, als ein 5 Minuten Monolog vor dem ersten Kaffee, dass Gott mit allem was wir tun, in unserem Job, in unserer Freizeit und in unseren Beziehungen angebetet wird. Die Reaktion der Teilnehmer war: Ja, dann muss ich ja gar keine "Stille Zeit" mehr machen. Meine Rückfrage darauf war: Was glaubt ihr ist die größere Herausforderung, die "Stille Zeit" oder ein anbetendes Leben?
Bin gespannt, wo mich die Auseinandersetzung noch hinbringt....